S „Grün und Blau tun der Seele gut“ – UmweltschutzTipps.de

UBA-Chef“Grün und Blau tun der Seele gut“Unsere Städte müssen umgebaut werden, sagt der Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner. Es geht um kühlende Bäume, Parks und Wasserflächen, aber auch um klimagerechtes Bauen, Wohnen, Heizen und Fortbewegen.Klimareporter°: Herr Messner, die neue Bundesregierung hat die Messlatte beim Thema Wohnen hoch gelegt: „Wohnen wollen wir für alle Menschen bezahlbar, verfügbar und umweltverträglich gestalten“ – so steht es im Koalitionsvertrag. Ist dieser Hattrick überhaupt zu schaffen?Dirk Messner: Diese Zielstellung ist richtig, es gibt gar keine Alternative dazu. Der Mangel an Wohnraum ist groß, wir brauchen zusätzliche Wohnungen.Wohnen darf kein Luxus sein, sondern muss bezahlbar bleiben oder wieder werden.Gleichzeitig muss für Gebäude gelten, was für alle anderen Sektoren auch gilt: Wenn wir bis 2045 klimaneutral sein wollen, brauchen wir hier netto null Emissionen. Etwa 40 Prozent des deutschen CO2-Ausstoßes haben direkt oder indirekt mit Gebäuden zu tun, ebenso die Hälfte des gesamten Ressourcenverbrauchs und Abfallaufkommens. Zudem gehen viele Naturflächen durch neue Siedlungen verloren.Das alles zeigt: Wir dürfen neuen, bezahlbaren Wohnraum nicht zulasten von Klima und Umwelt schaffen, auch wenn das anspruchsvoll ist.Wenn die Umweltbelastung so hoch ist, müssten Sie als Deutschlands wichtigster Umweltexperte dann nicht eigentlich sagen: Stoppt das Bauen? Oder: Baut weniger statt mehr. Je mehr gebaut wird, desto schlimmer wird es …Nein, das wäre der falsche Weg. Wohnen ist ein Menschenrecht und darf nicht gegen den Schutz von Umwelt und Klima ausgespielt werden. Wir müssen den Sektor Bauen und Wohnen nachhaltiger gestalten, um letztlich klimaneutral, kreislaufwirtschaftsfähig und möglichst schadstofffrei zu werden.Weltweit werden urbane Infrastrukturen stark ausgebaut. Hier zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln, nach denen an vielen Orten gesucht wird, würde Exportpotenziale schaffen.Fachleute wie der Architekt Daniel Fuhrhop, die „Stoppt das Bauen“ fordern, meinen natürlich nicht, dass gar keine neuen Wohnungen mehr gebaut werden sollen. Ihnen geht es darum, keine weiteren Naturflächen zu vernichten und Ressourcen zu schonen.Wohnungen sollen im Bestand entstehen, etwa durch Aufstockung, Umbau von wegen Homeoffice leerstehenden Büroflächen, Aufteilung von Einfamilienhäusern, die den Bewohnern nach der Familienphase zu groß geworden sind …Dirk Messnerist seit 2020 Präsident des Umwelt­bundes­amtes. Vorher war der Politik­wissen­schaftler und Nach­haltigkeits­forscher Vize-Rektor der Universität der Vereinten Nationen und Co-Vorsitzender des Wissen­schaft­lichen Beirats der Bundes­regierung für Globale Umwelt­veränderungen . Von 2003 bis 2018 leitete er das Deutsche Institut für Entwicklungs­politik in Bonn.Solche Konzepte unterstützen wir beim Umweltbundesamt nach Kräften. Der Gebäudebestand muss schrittweise modernisiert werden, und darauf sollten wir aufbauen, im wahrsten Sinne des Wortes – etwa durch Aufstocken weiterer Geschosse und die Umnutzung bereits vorhandener Gebäude. Das spart Fläche, Ressourcen, Treibhausgase – und vor allem auch Geld, weil keine zusätzlichen Grundstückskosten anfallen.Der letzte Bundeskanzler, Olaf Scholz, hatte wegen der Wohnungsnot ganz neue Stadtteile auf der grünen Wiese wie in den 1970er Jahren gefordert. Die neue Koalition will nun einen „Wohnungsbau-Turbo“ auflegen. Wie kann man denn sicherstellen, dass der umweltmäßig nicht nach hinten losgeht?Wir sollten uns alle einig sein, dass wir einen Turbo beim klimaverträglichen Wohnungsbau brauchen. Es geht nicht nur darum, mehr zu bauen, sondern auch zukunftsfähiger – ansonsten verfehlen wir unsere Klimaziele.Wir müssen anfangen, Gebäude als Wertstofflager zu begreifen, deren Baustoffe, wenn ein Abriss nötig ist, möglichst umfangreich wiederverwertet werden. Das sollte zukünftig schon bei der Konzeption neuer Gebäude mitgedacht werden. Derzeit werden nur etwa fünf Prozent der Baustoffe aus Abrissen hochwertig recycelt, das kann so nicht bleiben.Der Architekt Werner Sobek baut Häuser, die zu über 70 Prozent recycelt werden können. Konzepte dafür haben auch wir am Umweltbundesamt erarbeitet. Wir werden sie in dieser Woche auf der Konferenz zum „Neuen Europäischen Bauhaus“ in Berlin vorstellen.Wie kann das denn umgesetzt werden? Viele fordern ja, Standards beim Bauen abzusenken, um es billiger zu machen. Weniger Wärmdämmung oder weniger Lärmschutz zum Beispiel.Wir brauchen einen Abbau bürokratischer Verfahren, schlankere Planungsprozesse und einen Digitalisierungsschub, um schneller bauen zu können. Das darf aber keinesfalls dazu führen, Klimaneutralität und Ressourcenschonung abzuwracken. Konzepte für günstiges und klimaverträgliches Bauen müssen vorangebracht werden. Serielles Bauen ist hier ein Ansatz.Neues Europäisches BauhausDas „Neue Europäische Bauhaus“ ist eine von EU-Präsidentin Ursula von der Leyen 2020 ins Leben gerufene Initiative. Ziel ist es, neue Wege zu finden, wie Europa bis 2050 klimaneutral werden kann. Das Wirtschafts- und Umweltprojekt der EU, der „Green Deal“, soll damit zu einem europäischen Kulturprojekt erweitert werden. Es gehe darum, einen inklusiven, nachhaltigen und ästhetisch ansprechenden Lebensraum für die Bürgerinnen und Bürger Europas zu schaffen, heißt es dazu.KonferenzDie zweitägige Fachkonferenz des Umweltbundesamtes „Gemeinsam. Neues Europäisches Bauhaus weiterdenken!“ behandelt noch bis heute die Frage, wie Städte nachhaltiger, lebenswert und zukunftssicher werden können. Fachleute aus Wissenschaft, Politik und Praxis diskutieren in Berlin über innovative Lösungsansätze für klimaresiliente, umweltfreundliche und sozial gerechte Städte.Sollten nicht möglichst alle neuen Wohnungen in Passivhaus-Standard gebaut werden, bei dem keine klassische Heizung mehr nötig ist?Unbedingt, das wäre ein wichtiger Schritt. Wir haben gerade beim Umweltbundesamt in Dessau ein neues Bürogebäude in dieser Bauweise eröffnet, das hervorragend funktioniert. Das Gebäude ist quasi ein kleines Kraftwerk, denn es produziert mehr Energie, als es selbst verbraucht. Solche Innovationen führen in die Zukunft.Sollte man auch Baustoffe stärker vorschreiben? Eine Grundidee des „Neuen Europäischen Bauhauses“ ist es ja, mehr Holz statt Beton und Stahl einzusetzen.Holz hat den Vorteil, dass es im Bau langfristig CO2 speichert, und es bietet sich bei Aufstockungen als relativ leichter Baustoff an. Das Holz muss allerdings aus nachhaltiger Forstwirtschaft kommen.Nicht zuletzt kann recycelter Beton dazu beitragen, die Emissionen im Gebäudebereich zu senken und Abfälle zu reduzieren. Wir müssen die Forschung verstärken, wie klimaneutrale Baumaterialien in der Zukunft aussehen können.Das Europäische Bauhaus denkt aber noch weiter: Es geht auch um ästhetische Städte mit hoher Lebensqualität.Die neue Bundesregierung will das Habecksche Heizungsgesetz abschaffen, das die Wärmepumpe als Standardheizung statt Öl und Gas durchsetzen sollte. Was empfehlen Sie? Was sollte die Merz-Koalition hier tun?Ohne die Wärmewende ist Klimaneutralität bis 2045 nicht möglich. Dafür brauchen wir ein Heizungsgesetz, das uns weg von Öl und Erdgas bringt. Wir müssen auf klimaneutrale Wärmesysteme setzen, vor allem mit Wärmepumpen und integrierten Solarmodulen.Die Preise hierfür werden künftig sinken, da sie in großer Stückzahl produziert werden. Auch in vielen Altbauten können Wärmepumpen zum Standard werden. Das funktioniert in kalten Ländern wie Norwegen, warum also nicht auch bei uns?Die Hoffnung, man könne Gasheizungen künftig mit grünem Wasserstoff betreiben, wird nicht aufgehen, denn der wird teuer und in erster Linie für die Industrie gebraucht.Das bestehende Heizungsgesetz sollte dort weiterentwickelt werden, wo Bürokratie reduziert werden kann. Zudem ist Erwartungssicherheit bei der sozial gerecht ausgestalteten Förderung wichtig.Eine Frage zur Lebensqualität in den Städten: Mehr Wohnungen bedeuten normalerweise mehr Autos und Lieferverkehr, durch die viele Wohnviertel schon jetzt übermäßig belastet sind. Was tun? Bereits heute machen Staus und zu viel stehendes Blech die Städte unwirtlich …Wir haben uns verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu sein, das gilt auch für den Verkehr. Etwa die eine Hälfte des Problems lässt sich durch Elektrifizierung der Automobile erreichen, für die andere brauchen wir eine Neuorganisation des Verkehrs.Wir müssen Strukturen und Anreize schaffen, die den Verzicht aufs Auto erleichtern. Städte wie Kopenhagen, London, Wien, Paris, Barcelona oder Utrecht machen es vor. Nur der Appell, das Auto doch bitte stehen zu lassen, reicht nicht aus. Wir brauchen einen öffentlichen Verkehr, der funktioniert, und wir brauchen eine gute Fahrradinfrastruktur und sichere Fußwege.Wir können schon heute den Trend beobachten, dass der Autoverkehr in Großstädten wie Berlin abnimmt. Viele Menschen arbeiten im Homeoffice, statt sich durch den Berufsverkehr zu quälen, und sie fahren mehr Fahrrad. Wenn man die Menschen an der Umgestaltung des Verkehrs beteiligt, dann gewinnt man auch ihre Unterstützung.Konkret gefragt: Die Zahl der Autos muss abnehmen? Bisher steigen die Zulassungszahlen weiter.In der Tat, die Zahl der Autos wird abnehmen, ganz ohne Zwang, wenn wir den Verkehr intelligenter organisieren. Unsere Fahrzeuge sind eigentlich Stehzeuge, im Schnitt befinden sie sich zu über 90 Prozent der Zeit im Parkzustand. Durch einen besseren ÖPNV, mehr Fahrradnutzung, Carsharing und bald auch autonomes Fahren reduziert sich die Notwendigkeit, ein eigenes Auto zu besitzen.Wieso sind denn die von Ihnen genannten Großstädte, von Paris bis Utrecht, bei der Verkehrswende viel weiter als wir?In Deutschland sind wir bei der Verkehrswende, international gesehen, leider nicht an der Spitze, sondern nur im unteren Mittelfeld. Wir hängen sehr an unseren Verbrennern, während andere Länder viel stärker auf E‑Mobilität setzen.Und wir haben unsere Städte zu lange einseitig auf den Autoverkehr ausgerichtet. Der große Ökonom Keynes hat eine schöne Erklärung, warum Wandel manchmal länger dauert als gedacht: „Es ist leicht, neue Konzepte zu entwickeln, aber schwer, die alten zu vergessen.“Damit man in den Städten in Zeiten des Klimawandels mit immer mehr Hitzetagen und heftigeren Regenfällen gut wohnen kann, braucht es mehr Grünflächen, mehr Bäume, mehr Erholungsräume. Wie ist das zu schaffen? Parks statt Parkplätze?Das gehört dazu. Wo es möglich ist, sollten wir betonierte oder asphaltierte Flächen entsiegeln. Die grüne und blaue Infrastruktur muss gestärkt werden – durch mehr Bäume, mehr Parkanlagen, mehr Wasserflächen. Grün und Blau, das kühlt die Städte und das tut gleichzeitig der Gesundheit gut – und der Seele.Klimaanpassung ist wichtig, um die Lebensqualität zu erhalten und zu verbessern. Zum Glück ist das mittlerweile ein Thema in allen Städten und Gemeinden, und auch beim Städtetag steht es ganz oben auf der Agenda.Wo soll das Geld dafür herkommen?Zuerst muss sichergestellt werden, dass wir unsere Klimaschutzziele erreichen. Denn je schlechter wir – und die Welt insgesamt – beim Absenken der Emissionen sind, desto teurer wird die Klimaanpassung und desto höher fallen Kosten für extreme Wetterereignisse wie im Ahrtal aus.Zum Glück gibt es aber jetzt Investitionsspielräume durch das neue Infrastruktur-Sondervermögen von 500 Milliarden Euro. Davon sind 100 Milliarden speziell für den Klimaschutz reserviert, und auch die restlichen 400 Milliarden, davon 100 für die Kommunen, können positiv für den ökologischen Umbau eingesetzt werden – etwa durch die Sanierung öffentlicher Gebäude wie Schulen und Rathäuser, die dadurch nachhaltiger gemacht werden können. Und dann gibt es noch einen Aspekt, der bisher kaum diskutiert worden ist: Auch bei den 500 Milliarden Euro, die Deutschland für militärische Infrastruktur ausgeben will, sollten wir Klimaneutralität und Zirkularität anpeilen, ob bei der Produktion von Waffensystemen oder dem Bau von Kasernen.Mal im Ernst, Krieg soll klimafreundlich werden?Krieg ist niemals klimafreundlich. Es geht ja gerade darum, ihn durch glaubhafte Verteidigungsbereitschaft zu verhindern. Auch bei diesen Investitionen sollten Ressourcen- und Klimaverträglichkeit berücksichtigt werden.Teile den Artikel
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